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Flaschenpost vom Narrenschiff
2014
Trojanische Gulaschkanone?
Nachbemerkung
Pegida kommt, der Arsch geht mit Grundeis.
Sonntag, 12. Oktober 2014.
Trojanische Gulaschkanone? Deutschland nimmt seine internationale Verantwortung wahr.
Lange hat die deutsche Bundesregierung gezögert, lange und gründlich erörtert: Wie kann man dem grausamen Treiben des 'Islamischen Staates' in Irak und Syrien ein Ende setzen, und zwar so, daß einerseits ein deutscher Beitrag in seiner Bedeutung international wahrgenommen wird, andererseits
man denke an die deutsche Vergangenheit! auf keinen Fall der Eindruck eines wiedererwachen-
den Militarismus entstehen kann. Nachdem das Problem 'Kobane' trotz ausgedehntem Debattieren immer noch besteht, ist die Militärmaschinerie der Bundesrepublik nun doch endlich in Bewegung ge-
kommen. Den wie immer verläßlichen Medien ist zu entnehmen, daß die Bundeswehr im Rahmen der Hilfe für die bedrängten kurdischen Verteidiger von Kobane am Standort Paderborn eine größere Zahl von Feldküchen zum Transport vorbereitet und außerdem kurdische Soldaten in deren Bedienung einweist.
In ausführlichen Gesprächen in meinem Bekanntenkreis wurde die strategische Bedeutung des Unter-
nehmens erörtert. Vorherrschende Meinung war ein gewisses Befremden über das deutsche Vorha-
ben, den kämpfenden Kurden ausgerechnet mit Feldküchen zu Hilfe zu eilen. Solch kurzgriffiger Kritik kann ich mich indes nicht so ohne weiteres anschließen! Dazu ist der Informationsstand des Normal-
bürgers zu begrenzt, die Materie zu komplex. Es lassen sich gute Gründe dafür anführen, daß die deutsche Seite den Schwerpunkt der Hilfe mehr in den logistischen Sektor legt. Ich könnte mir sogar denken, daß weitere deutsche Lieferungen von dringend benötigtem Material für die im Kampf stehen-
de Kurdentruppe schon in Vorbereitung sind: Warndreiecke für einsturzgefährdete Häuser. Oder ener-
giesparende Wäschetrockner für die Uniformen der Peschmerga. Oder mobile Tamponautomaten für weibliche Teilnehmer. Oder ein Abakus, um die von den amerikanischen Fliegern kaputtgemachten Pickups des IS mitzählen zu können (gestern waren's gleich zwei Stück!). A propos, aus 5 Kilome-
tern Höhe kann schon mal eine Bombe versehentlich so ein Fahrzeug treffen.
Wie sagte schon der Philosoph Friedrich Hegel: Was wirklich ist, ist auch vernünftig. Man täusche
sich also nicht über den Intelligenzquotienten bei Regierung und Bundeswehr. Hinter dem Ganzen steckt vielleicht ein ganz ausgefuchster Plan: Die Gotteskrieger des IS werden neidisch über die schö-
nen Gulaschkanonen, führen sie unter verschärften Allahu-akbar-Rufen als Kriegsbeute in ihr Lager,
und nachts springen tollkühne Peschmerga aus den Kesseln und murksen die Feinde ab. Natürlich
mit Weltkriegsbajonetten aus der jüngsten deutschen Waffenlieferung. Daumen-hoch, Odysseus!
Ach so, ja: Und damit über den materiellen Bedürfnissen das Geistige nicht zu kurz kommt, könnte man z.B. Freikarten für eine Talkshow mit Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt und Papst Franziskus verteilen, etwa zum Thema "Betroffenheit als Kunstform".
Schließlich soll niemand sagen können, wir Deutschen übernähmen keine Verantwortung in der Welt. Da hat Frau von der Leyen einfach Recht.
Montag, 20. Oktober 2014.
Nachbemerkung zum Vorigen: Wie aus Kreisen des Verteidigungsministeriums verlautet, muß die Auslieferung des Feldküchenkontingents an die Peschmerga bis auf weiteres verschoben werden. Grund sei, daß die Suche nach den benötigten Schöpfkellen in den Beständen der Bundeswehr sich unerwartet schwierig gestaltet. Ex-Verteidigungsminister von und zu Guttenberg wird mit den Worten zitiert: "Irgendwo hatten wir mal welche ...".
Über die Auswirkungen auf die angespannte militärische Lage in Kobane kann nur spekuliert werden.
Montag, 29. Dezember 2014.
Pegida kommt, der Arsch geht mit Grundeis. Oder: Die politisch korrekte Republik zwischen Entrüstungsapoplexie und plötzlich ausbrechender spasmischer Gesprächsbereitschaft.
Das Auftreten der Protestbewegung 'Pegida' ('Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abend-
landes' ) zeitigt logischerweise auf den verschiedenen Ebenen der Politik unterschiedliche Reaktionen. Ablehnend sind sie allemal, aber der Ton macht eine signifikante Musik, die man irgendwie den Kate-
gorien 'Fundis' und 'Realos' zuordnen kann Wobei man, wie immer, bei den Realos den höheren Intel-
ligenzquotienten und eine rudimentäre Technik des taktischen Rückzuges vermuten darf. Doch Vor- sicht: Bei dieser letzteren Gruppe auch ein tieferes Verständnis für den Begriff 'Meinungspluralismus'
als Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu vermuten, das wäre allerdings ein gewaltiger Irrtum. Aber lassen wir zunächst einmal einen Vertreter der Fundamentalisten mit dem ein-
geengten Pluralismusbegriff auf uns einwirken.
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Die letzte Enzyklika des BILD-Kolum-
lumnisten Franz Josef Wagner muß
ich wohl so vor zehn Jahren gelesen haben. Und nur zufällig, weil ich her-
ausfinden wollte, wo man auf einem Pro-PEGIDA-Website seinen Klick machen kann, führte mich dann eine Verlinkung zu bild.de und besagtem Franz Josef. Und wieder einmal, nach der langen Zeit, staunte ich, wie treff-
sicher und anstrengungslos dieser Meister der deutschen Journalisten-
sprache seine Botschaft herüberbringt.
Drei prägnante Begriffe lieb, Pegida, Idiot , und ein echter F.J.Wagner ist entstanden; der Rest ist nur noch Or-
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nament, das mit seinen angedeuteten Argumentationsschnipseln den klaren rhetorischen Ansatz fast ein wenig stört, ein irritierendes Gefühl von Selbstwiderspruch erzeugt. Denn der Autor läßt spät-
weihnachtliche Gutmütigkeit vielleicht? den angesprochenen Idioten doch ein wenig Stoff zum Er-
kennen ihrer zerebralen Fehlverdrahtungen angedeihen, obwohl Idioten ja bekanntlich mit Erläuterun-
gen oder Begründungen gar nichts anfangen können:
" ... es ist Weihnachten. Vor 2000 Jahren suchten zwei Flüchtlinge, Josef und seine hochschwangere Frau Maria, eine Unterkunft. Es ist Weihnachten 2014. Und Ihr Pegida-Idioten demonstriert in Dresden gegen die Überfremdung. Was, wenn die Eltern von Jesus in Dresden an einer Haustür geklopft hätten. Die Eltern sahen nicht
aus wie Deutsche. Ihre Hautfarbe ist dunkel. Sie sprachen auch kein Deutsch. Sie sprachen Aramä-
isch und vielleicht Griechisch ...
2014 hätte man Josef und Maria nicht in einen Stall einquartiert. Sie wären in ein Asylantenheim ge-
kommen. Auf manche Asylantenheime sprayen Idioten Nazi-Parolen ...
Jesus, verzeih uns. Das Volk ist leider oft dumm.
Herzlichst,
Ihr Franz Josef Wagner"
Dem theologisch nicht so ganz sattelfesten Apostel Franz Josef muß man zugutehalten, daß die Weihnachtsgeschichte ja bloß die Analogie sein soll, welche die eigentlichen Inhalte transportiert.
Und da sie falsch erzählt wird, aber dennoch das Gemeinte verdeutlicht, illustriert sie sogar ganz wit-
zig den logischen Lehrsatz 'Ex falso quodlibet' aus dem Falschen folgt logisch Beliebiges. Was im übrigen auch zum einzig richtigen Deutungsansatz für sämtliche Heilige Schriften der Menschheit,
AT, NT, Koran usw. führt. Uneingedenk dieser Tatsache stellt sich manchmal dieses irrationale, juck-
reizartige Bedürfnis nach einer Gegenoffenbarung ein, dem ich in Form einer kleinen Mail an den Apo-
stel Franz Josef nachgab. Und zwar zunächst einmal dahingehend, daß das Ehepaar Joseph von Bethlehem oder Nazareth oder isdochegal keineswegs auf der Flucht war, sondern frisch eingetroffen zur Volkszählung, um sich und den Output von Marias One Night Stand durch Kaiser Augustus' Be- amten registrieren zu lassen. Na ja, und wo ich nun schon dabei war, konnte ich ja auch gleich noch
ein paar Anmerkungen zu Franz Josefs eigentlichem Thema 'Pegida' loswerden, in etwa so:
"Lieber wahnsinniger Freund,
wäre die AfD nicht zum "wertkonservativen" Sprachrohr der "familienpolitischen" Ren-
tenschmarotzer degeneriert, sondern ihrer fulminanten Europakritik treugeblieben, wäre ich (noch) drin. Gäbe es in meiner Nähe eine Pegida ohne NPD, ich wäre dabei.
Ich fühle mich also durchaus mit Ihrem Kompliment "Idioten" gemeint und auch ein we-
nig geschmeichelt. Denn das ist doch irgendwie eine Art Adelsprädikat: virtuell nieder- geschrieen zu werden von einem so berufenen Repräsentanten der gleichgeschalteten System-Medien und einer politischen Klasse, welche die seltene Kunst beherrscht, dem gesamten Ausland simultan und politisch korrekt in den Hintern zu kriechen. Und die sich natürlich bei ihrer Zuwanderungspolitik Marke Kopfschuß jegliche Einmischung des Bür-
gers entschieden verbittet. Und in der Tat ist die Methode, die Zuwanderungsgeg-
ner je nach Bedarf zu kriminalisieren oder zu pathologisieren, also entweder für diskursunwürdig oder -unfähig zu erklären, doch immer noch ehrlicher als dieses verlogene "Wir müssen mit ihnen ins Gespräch kommen". Denn wer in solchen Ge-
sprächsangeboten nicht sofort die "psychotherapeutische" Hybris erkennt, der ist wirk-
lich ein Idiot. Gespräch, jetzt? auf einmal? nach Jahrzehnten? Frage: Warum ist außer diesen sich peinlich windenden SPD-Weicheiern Sarrazin und Buschkowsky noch nie je-
mand von unserer Feldpostnummer zum Talk gebeten worden, jemand, der in Sachen Zuwanderung und Asylschwindel einmal Klartext geredet hätte?
Richtig: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Deshalb haben wir in Deutschland erlaubte Meinungen, verbotene Meinungen sowie sehr viele Nicht-Meinungen, die bloß deskriptive Aussagen und daher nicht geschützt sind.
Na ja, und dann gibt es eben noch Meinungen, die sind überhaupt verkehrt, nicht wahr?
Wir sind also Idioten ich verstehe Sie ja sogar, mein Lieber: Auch ich betrachte 95% meiner Mitmenschen als Idioten. Nur, warum denn gleich so die Contenance verlieren? Pegida wird sich verlaufen; die Masse der Deutschen ist noch lange nicht reif,
diese Prozesse der Umvolkung, der Zerstörung ihrer rassischen, ethnischen und kultu-
rellen Identität, ihrer ökonomischen Existenzgrundlagen in ihrer Bedeutung zu erfassen. Natürlich, irgendwann wird sich die weiße Minderheit dann unter freundlichen "Kuckstu Digger"-Kommentaren die Augen reiben. Aber dann wird die Unheilige Allianz aus neoli-
beralen Niedriglöhner-Importeuren und klinisch erleuchteten Rundumerlösern von Links- Grün ihr Werk längst vollbracht haben. Was hülfe es, du stellst dann noch diese ganze Muschpoke an die Wand, der wir das zu verdanken haben, und nähmest doch Schaden
an deiner Seele, wenn deine gehirngewaschene Enkelin beim Wort "Migrationshinter-
grund" feuchte Augen kriegt?
A propos, eine Flucht (nach Ägypten) hat nie stattgefunden, weder zu Weihnachten noch sonst, weder die der Heiligen Familie noch die des Volkes Israel. Und Joseph und Maria waren bloß mal kurz unterwegs zu einer Volkszählung ..."
Verlassen wir nun diesen traurigen Exorzisten im Dienste des politisch korrekten Establishments dieser traurigen Republik, um endlich dem Phänomen 'Pegida', vor allem aber auch den Reaktionen,
die es hervorruft, etwas näher zu kommen.
Über das enorme Echo auf die ersten Demonstrationsaufrufe in Dresden dürfte wohl niemand verdutz-
ter gewesen sein als die Pegida-Initiatoren selber. Der mäßig suggestive Charme der Namensgebung, die ebenfalls mäßige Vertrauenswürdigkeit der Akteure im Vordergrund, die eher drollige Idee, die Tradition der Montagsspaziergänge in einer ganz andersartigen Konnotation wiederaufleben zu lassen das ließ nicht unbedingt großen Zuspruch erwarten. Eher schon die Tatsache, daß NPD und AfD
in Teilen der sächsischen Bevölkerung fest etabliert sind. Andererseits sind da die dezenten Hinweise der Medien, daß die meisten Sachsen eigentlich, mangels Muslimen, aber auch als überwiegend kirchenferne Zeitgenossen, von der Islamisierung des Abendlandes nicht sonderlich betroffen sein können. Und ein jeder weiß doch, daß man über die Todesstrafe nur eine Meinung entwickeln kann, wenn man einen nahen Angehörigen verloren hat bzw. selbst schon einmal hingerichtet wurde ...
Die offenkundige Heterogenität der Protestanliegen bei den Teilnehmern einerseits und andererseits
die völlig singuläre Clusterbildung in Dresden ohne Parallele im restlichen Deutschland legen den Schluß nahe, daß hier eine besonders amüsante Zweck-Mittel-Rationalität waltet: Die ersten Angst-
reaktionen in der veröffentlichten Meinung zogen offenbar weitere Montagsmarschierer magisch an,
was wiederum die Angst verstärkt, was wiederum auf den Zustrom an Teilnehmern rückkoppelt usw. Schade nur da die befürchtete Kettenreaktion in den anderen Großstädten nicht in Gang kommt,
wird das politisch korrekte Establishment nur zu bald entdecken, daß es einem Halloweengespenst aufgesessen ist, und die im ersten Schrecken geräumten Positionen wieder besetzen. Gespräche?
Das hat sich wohl erübrigt, nicht wahr?
Ein nicht ungefährlicher Irrtum. Denn nur ein paar Tausend sind marschiert, aber alle haben die Angst hinter der plötzlich ausgebrochenen Gesprächsbereitschaft gespürt. Die bisher geübte Praxis, die z.T. vehemente Ablehnung der politischen und gesellschaftlichen Zustände in diesem Land entweder tot-
zuschweigen oder durch Diffamierung mundtot zu machen, wird sich nicht endlos fortsetzen; das hat
der Aufstieg der AfD gezeigt. Zumal einer der zentralen Mißstände, die Massenzuwanderung von kaum integrationsfähigen Fremden, mit jedem Tag ins Blickfeld von mehr Menschen rücken wird. Das Gefühl der Bedrohung, die Frustration darüber, daß offenbar eine Minderheit von Entrückten bzw. Gekauften eine Politik vorbei an der Realität, vorbei am Willen und den Interessen der Bevölkerungsmehrheit be-
treibt, streben auf eine kritische Marke zu, wo das Faß überlaufen könnte. Es geht im übrigen ja auch gar nicht um Islamisierung, die ist doch nur ein bauernschlauer Vorwand, um die xenophile Meinungs-
zensur zu unterlaufen. Nein, es geht den Leuten um die verhaßte Zuwanderung ganz allgemein, um Überfremdung, aber auch um dieses ganz andere, zu seiner eigenen, zynischen Karikatur verkom-
mene Europa, um die verheerenden Folgen der Globalisierung und vieles andere mehr. Zum ersten-
mal gehen Menschen in Masse auf die Straße, in einer ganz neuen Aktionseinheit, um gegen die unsägliche Führungs-"Elite" der Parteien und gegen das sie stützende Kartell der Meinungsmanipu-
lateure zu protestieren, auch wenn sie normalerweise zu vielen Mitmarschierern eher auf Distanz bleiben würden.
Aber genau da kommen die Pegida-Demonstranten der "freiheitlich-demokratischen" Lebenslüge die-
ser Republik von Besatzers Gnaden gefährlich nahe. Die politische Klasse dieses bedauernswerten Landes leitet ihre Legitimation letztlich immer noch aus den Betätigungslizenzen der Besatzungs-
mächte von 1945 ab, die sicherstellten, daß Parteien ebenso wie Bildungsinstitutionen, Presse, Rund-
funk und Film strikt im Dienste der demokratischen Umerziehung ('reeducation') der deutschen Bevöl-
kerung agierten. Das methodische Instrumentarium ergab sich logisch aus der fast unbegreiflichen Selbstgerechtigkeit der Sieger (und ihrer deutschen Verbündeten). Die reeducation folgte dem Muster der guten alten Heidenbekehrungen. Was die Heiden dachten, war unwichtig; mit der Heilsbotschaft
kam auch das, was sie zu denken bzw. gefälligst nicht zu denken hatten. Objektivität und Wahrheits-
findung waren nicht das Ziel.
Das Scheitern des Unternehmens reeducation war damit eigentlich vorprogrammiert: falsche Leute, falsche Inhalte, falsche Methode. Eine ehemalige BDM-Führerin erzählte mir einmal, ohne Reue, wie
sie und die anderen Insassinnen eines amerikanischen Internierungslagers Ende 1945 einen dieser Umerziehungs-Savonarolas, einen gewissen Pastor Niemöller, der ihnen von Schuld und Scham pre-
digte, so lange niederschrieen und mit Schuhen und anderen Gegenständen bewarfen, bis die GIs ihn vom Podium zogen. In der kleinen Anekdote steckt durchaus eine gewisse Allgemeingültigkeit. Nach dem selbst erlebten Grauen an der Front, im Bombenkrieg und auf der Flucht hatte die Masse der deutschen Bevölkerung wenig Sinn für fremdes Leid und eigene Schuld; sie beweinte ihre eigenen Toten und war drei Jahre lang damit beschäftigt, nicht zu verhungern. Sie war auch nicht bereit, sich
mit außerirdischen neuen Wertvorstellungen missionieren (und danach richten) zu lassen, an die sich sonst kein Volk auf dem Planeten hielt; sie reagierte mit Totalverweigerung, als sich zeigte, daß die 'Aufarbeitung' von Auschwitz nicht Aufklärung, sondern den moralischen Genickbruch bezweckte; und
sie widersetzte sich, nach außen stumm, aber hartnäckig dem Ansinnen ihrer Erzieher, sich für die gesamte deutsche Geschichte von den Ottonen über Martin Luther und Friedrich den Großen bis zu Bismarck und Hitler, und besonders für die angeblich darin düster glosende 'deutsche' Mentalität in Grund und Boden zu schämen.
Man kann sich fragen, warum sieht man einmal von der Minderheit der wirklich Unbelehrbaren ab
der geistige Widerstand gegen die reeducation und ihre ideologischen Grundlagen nie über die ver-
mieften Nierentisch-Wohnzimmer hinausgekommen ist, vor allem qualitativ nicht. War es die psy-
chologische Wucht der Niederlage? Die Unmöglichkeit, in der fortgesetzten Feindpropaganda des Nachkriegs wahr und falsch zu unterscheiden, und das in einer der gebildetsten Gesellschaften der Welt? Alles richtig, aber warum hält die Masse bis heute den Mund?
Napoleon sagte einmal: "Der Deutsche ist wie ein Hund: Entweder du hast ihn an der Kehle oder zu deinen Füßen." Und tatsächlich gibt es in der deutschen Geistesgeschichte bis auf die unvollende-
ten Ansätze Martin Luthers und Immanuel Kants keine emanzipatorische Denktradition mit nennens-
werter Breitenwirkung. Nicht zufällig beschränkte sich die Rezeption von Kants kalter Rationalität mehr oder weniger auf die Studierstuben, während die schwülstigen Begriffsdichtungen Schellings, Hegels
und Fichtes den "Volksgeist" idealistisch beflügelten. Der aber träumte mehr als ein Jahrhundert lang
nur von der Befreiung der Nation, nicht der des Individuums. Freiheit des Geistes, Pluralität der Mei-
nungen? Sire, geben Sie Gedankenfreiheit? "Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit" befand Hegel,
den Lehrstuhl an der preußischen Universität Berlin fest im Blick. So gesehen war sogar die Paulskir-
che nur eine deutsche Theatertruppe, die ein französisches Stück aufführte.
Noch bedeutsamer ist freilich ein anderer Aspekt, ein technischer: In freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaften verläuft Kommunikation sozusagen chaotisch, in alle Richtungen, in totalitären und autoritären hingegen vertikal, von oben nach unten; vielleicht sollte man besser 'radial' sagen, vom Zentrum nach außen. Wenn es richtig funktioniert, bleiben tabuisierte Meinungen, sofern überhaupt "zulässig", auf unzählige Mikro-Nischen beschränkt, ohne Querkommunikation miteinander, mit einem Multiplikatoreffekt <1, und die Gefahr, daß daraus vielleicht doch eine 'grass root'-Bewegung mit gesellschaftlichem Potential entstehen könnte, ist gering.
Das von den Besatzungsmächten hinterlassene System aus "rechtsstaatlicher" Repressionsmecha-
nik, Marktmacht, Informations- und Meinungsoligopol und institutionalisierter Schuldneurose hat von Anfang an selbststabilisierende Eigenschaften gehabt, und diese vererbte es weiter bis heute. Eben
weil es das Entstehen einer echten Gegenöffentlichkeit wirksam verhindert. Nur einmal kam es zu
einer Krise, nämlich als die Wiedertäuferbewegung der Achtundsechziger sich gegen ihre eigenen Erzeuger wandte. Achtundsechzig ist in vielerlei Hinsicht ein Epochenbruch gewesen, so auch darin, daß hier die erste Generation von Deutschen, die weder den Ersten Krieg noch die Weimarer Repu-
blik noch den Nationalsozialismus erlebt hatten, plötzlich, unbelastet von jedem biographischen Rea-
litätsbezug oder ernstzunehmenden Epochenverständnis, die gesamte Eltern- und Großelterngene-
ration noch einmal vor ein Entnazifizierungstribunal zitierte, zu einer Neugewichtung ihrer Vergangen-
heit. Es war ein Tribunal anmaßender Rotznasen, bei denen die reeducation nun endlich späte Früch-
te trug. Und dieses Völkchen wanderte anschließend in Seilschaften in die Schaltstellen der Gesell-
schaft ein, unterzog diese einer ausdauernden 'Modernisierung' und verfeinerte weiter das Instrumen-
tarium der 'political correctness', die nun auf dem linken Auge fast völlig erblindete.
Es ist kein Paradox, sondern logisch absolut folgerichtig, daß diese Generation der hauptamtlichen Tabubrecher einen bestimmten Tabubereich sorgfältig aussparte, weil er ihnen ideologisch nützlich
war. Die Nichthinterfragbarkeit sämtlicher "Lehren aus der jüngeren Vergangenheit" steht sozusagen
in der geheimen Gründungsurkunde der deutschen Republik. Fragen wie die, ob nicht jedes Volk mit Selbstachtung ein Machwerk wie den Versailler Vertrag notfalls mit Gewalt beseitigt hätte, mit oder ohne Hitler, sind als "Geschichtsklitterung" zu unterbinden. Fragen wie die, ob man der hyperventilie-
renden Gutmenschlichkeit unserer Willkommensbimbos nicht ein Minimum an deutschem Identitäts-
willen und gesundem Menschenverstand entgegensetzen sollte, sind einfach nicht diskutierbar. Oder nehmen wir die IQ-mäßig schlicht grenzwertige Behauptung der Frau Merkel, "das Existenzrecht des Staates Israel" sei "Teil der deutschen Staatsräson": Wo immer man dieses politisch korrekte Welt-
und Geschichtsbild abklopft es wird keineswegs durch die allgemeingültigen Prinzipien von Ethik
und Wissenschaft getragen, sondern von irrationalen Glaubenssätzen, synergetisch abgesichert durch eine 'von außen' kaum nachvollziehbare Hybris der Sektenmitglieder. Für dieses System des in Poli-
tik gegossenen Aberglaubens wäre eine wirklich freie Meinungsbildung eine tödliche Bedrohung.
Hier schwingt der Bogen wieder zurück zu Pegida, die man durchaus als bescheidenen Ansatz einer Graswurzelopposition betrachten kann. Die Angriffsstrategien gegen das politische Establishment sind allerdings wenig überzeugend, wenn der inhaltliche Protest gegen irgendwelche Mißstände immer nur kombiniert mit der eiligen Distanzierung von verpönten Meinungen und deren uncoolen Vertretern laut
wird. Denn wer sich ständig gegen Vorwürfe der 'Rechtslastigkeit' usw. verwahrt, hat schon die Deu-
tungs- und Wertungskompetenz an die Gegenseite abgetreten. Diese verbreitete Naivität ist umso ver-
blüffender, als doch in jedem zweiten Action- oder Westernfilm die Urform des Metadiskurses irgend-
wo auftaucht und nationwide eingeübt ist:
"Verzieh dich, du hast hier nichts zu suchen!"
"Sagt wer ...?",
was ja unmißverständlich die Regelsetzungskompetenz des ersten Sprechers in Frage stellt.
Immerhin: Zum erstenmal, soweit ich sehe, wird bei den Demonstrationen ein zweiter Schwerpunkt gesetzt, indem die Politik der Tabuisierungen, der Denkverbote als solche thematisiert wird. Was be-
deutet eigentlich die oft gar nicht mehr durch Inhalte gestützte Kritik der Demonstrierer: "Hier darf
man ja nicht seine Meinung äußern"? In all ihrer stammtischartigen Verkürzung formuliert sie doch
die sorgfältig verschwiegene Wirklichkeit einer in gesellschaftliche, rechtliche und ökonomische Re-
pression umgesetzten political correctness. Sie fragt nicht mehr nach der Begründetheit der Verbote, sondern nach dem Rechtstitel der Verbietenden. Die Botschaft deutet sich an:
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Es wäre höchste Zeit, den Herrschaften, die uns seit Jahrzehnten im Rahmen selbst erfundener Normen alles Mögliche verbieten, endlich einmal das Verbie-
ten zu verbieten.
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Aber gerade hier liegt auch die Schwäche des ganzen Unterfangens: Die Masse der Deutschen spürt immer stärker das Falsche in der Politik; das Ausmaß ihrer Entmündigung auf den Begriff zu bringen vermag sie allerdings nicht. Wie konnte es sonst geschehen, daß das sogenannte "Auschwitzurteil"
des Bundesverfassungsgerichts von 1994, einer der Tiefpunkte der jüngeren deutschen Rechtsge-
schichte, bis heute nicht mit Schimpf und Schande in die Tonne getreten wurde, zusammen mit dem unsäglichen "Volksverhetzungs"-Paragraphen 130 StGB? Denn gegen die wütenden Proteste von weit über tausend Hochschullehrern schrieb dieses jakobinische Urteil nochmals fest, daß deskriptive,
also über die bloße Bewertung hinausgehende Meinungsäußerungen des Bürgers von Artr. 5 GG
nicht geschützt sind und daher im Prinzip der Zensur unterliegen. Wodurch z.B. eine revisionistische Aufarbeitung des Komplexes 'NS-Verbrechen' notfalls unter Haftandrohung von bis zu fünf Jahren erfolgreich unterbunden wird. In Deutschland jedenfalls.1) (Soviel zu Sprachkompetenz und Begriffs-
bildung des freilaufenden Volljuristen.) Doch wenden wir uns wieder von der verhinderten Bewältigung
der Vergangenheit den Fragen der Gegenwart zu.
Die Hüter der political correctness lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen:
Einmal die Naiven mit der irrationalen Glaubensgewißheit, daß ihre ethischen Normen im Sinne von Naturgesetzen für alle gültig seien. Neben der einen, wahrhaftigen Ethik kann es keine anderen geben, alles außerhalb ist unethisch, menschenverachtend bis soziopathisch. In seinem Buch "The open society and its enemies" hat Karl R. Popper ausführlich die Probleme mit solchen Menschen oder besser: Gruppen untersucht, die sich im Alleinbesitz einer einzigen, alternativlosen Wahrheit bzw. Tu-
gend wähnen und von daher unweigerlich eine Verfolgermentalität entwickeln. Die Feinde der offenen Gesellschaft, das sind diejenigen, die ihr geschlossenes Wertesystem für die ganze Gesellschaft verbindlich zu machen trachten, notfalls mit der Auschwitzkeule.
Zum anderen sind da die Aufklärer, die Analytiker, die merkwürdigerweise bei ihren Analysen immer
zu den axiomatisch doch seit '45 längst vorgegebenen 'Einsichten' kommen. Für sie sind die "rechts"
der Demarkationslinie angesiedelten "Ideologien" entweder Ausdruck kognitiven Unvermögens (die "dummen Rechten") oder aber ein psychopathologisches Problem ("Traumatisierung", "Paranoia", "irrationale Ängste"). Bei Popper sind das die Platoniker, bei welchen die "vernünftige Einsicht" an die Stelle der Offenbarung getreten ist.
Gegenüber beiden Gruppen ihrer selbsternannten Vormünder hat die Masse der deutschen Bevölke-
rung (aus verständlichen soziokulturellen Gründen, die ich höflichkeitshalber verschweige) versäumt,
ihr natürliches Recht auf ethische und intellektuelle Autonomie zu begreifen und einzufordern, von Durchsetzung ganz zu schweigen. Beim Nachdenken über die dafür verantwortlichen Defizite der Bra-
ven erscheint es einem dann gar nicht mehr so tragisch, daß das Kind 'Deutsches Volk' eigentlich schon teilweise in den Brunnen gefallen ist, wenn man denn teilweise in den Brunnen fallen kann, so ganz migrationshintergründig ...
Denn daß ich es noch erleben werde, wie auf das willkommenskulturelle
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"Es ist das Grundrecht aller Erdlinge, sich als Flüchtlinge wahrzuneh- men und sich hier in Deutschland asylierend zu verwirklichen. Und es ist unsere ethische Pflicht (die deutsche Vergangenheit!), alle lieb auf- zunehmen, für Unterkunft, Wohlstand, deutsche Staatsbürgerschaft und vielleicht sogar Integration zu sorgen."
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ein markiges, millionenstimmiges
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"Sagt wer ...?"
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erschallt, das bleibt mit Sicherheit ein schöner Traum. Und dabei würde mir ja auch schon ein einfaches "Warum denn?" genügen ...
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Auch nicht? Noch nicht einmal das? Na dann hat Pegida aber wenigstens für einen Moment deutlich gemacht, wie man all diese anmaßenden Schwachköpfe mit ihrem als Ethik mißverstandenen Helfer-
syndrom bzw. ihren "unwiderleglichen" Narreteien kurz auf den Pott setzt. In der zweiten Gruppe hat Pegida nun das überraschende Wunder einer gewissen "Gesprächsbereitschaft" vollbracht. Das Schönste an diesen nun auf einmal heftig sprudelnden Bekenntnissen zum Dialog ist: Sie sind das implizite Eingeständnis, daß bestimmten Gruppen der Bevölkerung eben dieser Dialog jahrzehntelang verweigert worden ist, womit die Geschichte vom ungehinderten Meinungspluralismus endlich auch
für eine breitere Öffentlichkeit als Lüge erkennbar wird.
Oder sollte man einfach das ganze Problem mehr linguistisch angehen? Sozusagen als 'Kritik der reinen sprachlichen Doofheit'? Wer "weltoffenes Dresden" (oder "Deutschland") sagt und damit freien Zuzug für Asylbetrüger und Sozialabstauber aus aller Welt meint, der verfügt über die begriffliche Trennschärfe eines Müsliriegels. Wer gegenüber Mitbürgern, sobald sie es sich höflich verbitten, daß uneingeladene Gäste sich an ihrem Tisch breitmachen, nur noch fassungslos "Intoleranz" und "Frem-
denfeindlichkeit" stammeln kann, der kann auch mit diesem unsäglichen Gesamtschul-Deutsch stein-
alt werden. Aber ein wenig Nachhilfe in unserer Muttersprache würde eventuelle Diskussionen über die wirkliche Natur des Konfliktes ungemein vereinfachen.
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1) Die deutsche 'Forschung' hat deshalb längst den internationalen Anschluß verloren. Zur Illustration des deutschen 'Forschungsniveaus' sei der Artikel ' Holocaustleugnung' der (früher um eine gewisse Seriosität bemühten) "Bundeszentrale für politische Bildung" empfohlen. Bei großzügiger Würdigung mag das Ge-
schreibsel als unterirdisches Propagandapamphlet für ein schlicht verfassungswidriges ' Volksverhetzungs-
gesetz ' durchgehen. Wie unschwer zu erkennen (lesen!), stellt Absatz 3 des Gesetzes, der u.a. das "Leug-
nen" und "Verharmlosen" bestimmter Sachverhalte verbietet, eine klare Verletzung natürlicher Grundrechte
dar und ist deshalb verfassungswidrig. Ganz allgemein stellt sich aber, 70 Jahre nach Kriegsende, die Frage: Welcher psychisch gesunde Mensch kann jetzt noch ein Interesse daran haben, daß Hunderte von unbe-
scholtenen Bürgern für 18, 20 Monate im Gefängnis landen, nur weil sie öffentlich die "bewiesenen Tatsa-
chen" der Holocaustpropaganda für nicht so ganz bewiesen erklärt haben?
Nicht ganz so dramatisch, aber in Wirklichkeit viel tückischer sind die Hetze- und Verunglimpfungstatbestän-
de in Absatz 1 und 2. Denn die sind gummiartig nach Bedarf auslegbar, von Mordversuch bis böse Angucken, was für jeden Pegidaanhänger, der bei der Beschreibung der Segnungen der Migration nicht aufpaßt, böse Folgen haben kann.
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