Flaschenpost vom Narrenschiff

2015

Wladimir Putin schenkt einem Ägypter eine Kalaschnikow
2008 – als man beim Wort 'Nepal' noch lächeln konnte ...
Politische Klimaerwärmung
Peter Hahne – ohne Denkverbote oder bloß ohne Schimmer?
Die ZDF-Mediathek und die Kunst, die Vergangenheit zu korrigieren
Der dämlichste Spruch des Jahres



Sonntag, 15.02.2015.
Wladimir Putin schenkt einem Ägypter eine Kalaschnikow. Ein Staatsbesuch, von der Main-streampresse für Gangnam-Experten und Dschungelcamp-Kenner faßlich aufbereitet.
Er ist zwar keine Titelschlagzeile wert, wird aber doch beachtet: Wladimir Putins Besuch in Ägypten.
Da ist zunächst einmal Putins Mitbringsel für Präsident Fattah al Sisi, diese gefährlich aussehende Kalaschnikow – was für ein geschmackloses (bedrohliches?) Gastgeschenk! Der deutsche Pazifismus erschauert, ein bißchen jedenfalls. Richtig, die deutschen Exporte und so weiter. Auf jeden Fall sieht man's mal wieder: diese Russen. Daß das Überreichen einer Waffe seit Urzeiten bei den Arabern als Ausdruck höchster kriegerischer Achtung vor dem Beschenkten gilt, das muß der journalistische Dünnbrettbohrer von heute nicht mehr wissen. (Ein Peter Scholl-Latour hätte es gewußt.)

Allerdings: Wer sich die Photos von der Überreichung anschaut, wundert sich vielleicht ein wenig dar-
über, was für ein unansehnliches Teil Putin da aus dem Waffenkoffer hervorholt. Irgendwie ein bißchen second hand, oder? Hatte Wladimir Wladimirowitsch wirklich – die EU-Sanktionen??! – nicht mehr die Mittel für etwas Waffenöl und einen Putzlappen? Und die Brünierung, die ist eigentlich auch schon ein wenig schäbig.  Da wendet sich selbst  der  Teilzeit-Waffenfetischist in mir mit Grausen. Wohin sind
die Zeiten, wo solche Preziosen etwa für Saddams Propagandaminister al-Sahhaf versilbert wurden!
Gar nicht zu reden von der vergoldeten Version für den lieben Gaddafi. Nun ist Putin ja wirklich ein klei-
ner Rüpel, ein nationalistischer Blut-und-Boden-Hooligan, gleichzeitig aber sehr intelligent, und seine Be-
rater erst recht. Zu intelligent, um sich mit einem unpassenden Geschenk zu blamieren. Und so verfällt man ins Sinnieren: Hat das Ding vielleicht eine historisch bedeutsame Vergangenheit? Eine symbolische Bedeutung? Eine emotionale? Die Waffe, aus der die letzte Salve in Stalingrad abgefeuert wurde – das wäre eine Hypothese. Aber AK-47 wurde erst 1946 in Anlehnung an das deutsche Sturmgewehr 44 ent-
wickelt. Dann vielleicht Kalaschnikows Privatexemplar? Mag sein. Zu traurig, da ich möglicherweise der einzige Mensch bin, den das interessieren würde, wird es wohl ein Geheimnis bleiben.

Wie so oft sind es denn ja auch die Äußerungen, die der Besuch irgendwann mehr so nebenbei plaziert, welche den Nachrichten-
wert der Meldungen ausmachen. Daß hier eine zweite Front gegen die USA aufgemacht werden soll, der Eindruck drängt sich auf. Nichts an Putins Äußerungen ist wirklich neu. Aber könnte man als Nachrichtenmensch da nicht ein wenig nachhelfen? Natürlich nicht so richtig lügen (dank diesen Spinnern von Pegida ist ja ein Teil der Öffentlichkeit vorübergehend argwöhnisch geworden), nur so ein bißchen verkürzen vielleicht? Doch, das geht. So kann man z.B. Putins Bewertung der von Amerika und ein paar kosmetisch eingebundenen Willigen durchgeführten Luftschläge gegen den IS so wie nebenstehend aussehen lassen. Es genügt, hier ein wenig
mit der Doppeldeutigkeit des Wortes "kritisieren" zu spielen:
Wem zu dem Namen Putin nichts anderes als "Ukraine" einfällt, für den ist sofort alles klar: Natürlich hat dieser Mensch auch was gegen Bombenangriffe auf 'al Daula al Islamija', vulgo auch IS genannt, typisch wieder mal. Derjenige indes, der weiß, daß für Putin jeder Feind seines Verbündeten Baschar al-Assad auch sein Feind ist, vielleicht sogar noch weiß, daß in den Reihen des IS ganze Bri-
gaden von Tschetschenen und anderen Muslimen aus der Russischen Föderation kämpfen, richtet sich verdutzt auf. Wie das?! Ach so. Entschuldigung, Wladimir Wladimirowitsch, für die kurze Anwandlung
des Zweifels, aber manchmal bist du ja auch gut für Überraschungen, charascho? Also nein, das demo-
kratische Internet, das den Lügen unserer Systemmedien immer kürzere Beine macht, liefert die korrekte Information: Putin stellt nicht die Bombardements infrage, sondern die ineffiziente Gesamtstrategie der Amerikaner.

So berichtet z.B. rferl.org (RadioFreeEurope / RadioLiberty) am gleichen Tage:

>>
"In comments widely reported in the Russian media on February 9, and attributed to an interview with Egypt's Al-Ahram newspaper, Putin said the efforts, strategy and tactics of the U.S-led coalition against IS in Syria and Iraq do not match the scale and nature of the militants. "Air strikes cannot cope with [that threat]," Putin was quoted as saying by Interfax.

The Russian president also took the opportunity to reiterate Moscow's position that the U.S.-led air strikes against IS in Syria are unlawful, because Washington did not ask permission from Syrian President (and Russian ally) Bashar al-Assad.

Moscow has consistently – and frequently – repeated this line, as has Damascus. In recent weeks, both Russia and the Assad government have extended that position with calls for the United States and its allies to cooperate with Damascus over IS.

In his February 9 comments, however, Putin did not repeat these calls but merely criticized the United States for "double standards", saying that Washington was "refusing to cooperate with the legal authorities" in Syria, while noting that the United States has cooperated with the Iraqi government over anti-IS activity in Iraq.

Putin also accused the United States of creating the problem of IS in Syria and Iraq because of Washington's "interference" in those countries.

"What is happening in Syria and Iraq is the result of coarse, irresponsible external interference in the affairs of the region, the unilateral use of force and double standards, dividing terrorists into 'good' and 'bad'", Interfax quoted Putin as saying.
<<

Die deutschen Medien stützen sich  bei der Berichterstattung gern kostenbewußt auf die  unter Schutz-
gas abgepackten Fertiginformationen von dpa, AP oder AFP. Das Ergebnis ist dann öfters wie hier zu sehen, ein äußerst abgereichertes Sprachgebilde, dem man noch die Herkunft aus einer banalen Presse-
mitteilung ansieht. Das Interview Putins zum Nahostkonflikt wird erwähnt. Nur, wo bleibt der Bericht über die Inhalte? Der folgt auch am nächsten Tag nicht. Man darf Leser und Zuschauer schließlich nicht mit Dingen verwirren, die sie halt nicht verstehen können.  Tja,  an dem Punkt schlägt dann Verschweigen in zweckvolle Desinformation um, meine sehr verehrte Lügenpresse.

Denn was Putin hier (s.o.) zum x-ten Male zur Sprache bringt, ist kein Propagandagerede, – es ist, in wenigen Sätzen zusammengefaßt, ein komplett anderes Paradigma des Konflikts in Syrien und Irak, logisch durchdacht und durch die Fakten gestützt:

# Die Bombenangriffe der "Allianz" auf syrischem Gebiet ohne Genehmigung der legitimen Regierung stellen einen Bruch des Völkerrechts dar und sind überdies (ohne Operationen am Boden) völlig unzu-
reichend, um die Milizen zu besiegen. (Wer den Verlauf des Vietnamkrieges noch im Kopf hat, muß
Putin recht geben.)

# Die Konflikte in Syrien und Irak sind durch Einmischung der Westmächte zu blutigen Bürgerkriegen entartet. (Ganz unstreitig hinsichtlich des amerikanisch geführten Angriffskrieges gegen den Irak und
der Folgen; die plausibelste Erklärung für die syrische Variante des 'arabischen Frühlings').

# Die jetzige Bedrohung durch den IS in beiden Staaten ist ein Ergebnis dieser Interventionspolitik.
(Nicht diskussionsbedürftig, weil Fakt.)

# Das amerikanische Festhalten an der Politik der "doppelten Standards", mit der Regierung des Irak
zusammenzuarbeiten, mit Assad jedoch nicht, sabotiert eine pragmatische Lösungs des Problems 'IS'.

# Der entscheidende Punkt in Putins Konzept wird im Interview mehr beiläufig angesprochen: die Auf-
forderung, in Zusammenarbeit mit dem Baath-Regime und seinen Bodentruppen dem grausi-
gen syrischen Totentanz ein Ende zu machen.
Und natürlich steht im Hintergrund immer die russi-
sche Forderung, das neokolonialistische, Projekt eines regime change in Syrien endlich aufzugeben und Frieden mit Assad zu machen.

Heute wie auch schon vor drei Jahren wird die internationale veröffentlichte Meinung dominiert von denen, welche die Verantwortung für den Tod, die Verstümmelung hunderttausender Menschen, die Vernichtung der Existenz von Millionen einfach dem Regime Baschar al-Assads zuweisen: Wäre er zurückgetreten, hätte das alles nicht geschehen müssen. Was für eine obszön dumme Logik. Eine Regierung, die ihre Verantwortung für den Staat hinwirft, sobald eine Minderheit von Verückten nicht etwa Neuwahlen, son-
dern bescheiden die "demokratische" Aushändigung der Macht fordert, gehört vors Standgericht. Heißt
es nicht so schön: "A man must do what a man has got to do" oder so ähnlich?

Man kann sich heute durchaus auf den Standpunkt stellen, daß das harte, ja brutale Durchgreifen der syrischen Staatsorgane gegen den beginnenden Veitstanz des 'arabischen Frühlings' den Ausbruch des Bürgerkrieges befördert hat. Oder war das Durchgreifen nur nicht konsequent genug, um dem verantwor-
tungslosen Treiben einiger hundert politischer Amokfahrer ein Ende zu bereiten? Ich neige zur letzteren Auffassung. Unnötig hart oder nicht hart genug? Festzustellen ist in jedem Fall – und zahlreiche Staats- und Völkerrechtler in aller Welt tun das –, daß die einigen Dutzend, vielleicht hundert Todesopfer dieser ersten Konfrontationen die Herbeiführung eines Bürgerkrieges durch die 'Opposition' in keinster Weise rechtfertigen können. Denn sie sind schlicht Peanuts, gemessen an dem daraus folgenden Blutbad, für dessen Herbeiführung sie die Rechtfertigung abgeben sollen.

Spätestens Mitte 2012 war es klar, daß trotz massiver Unterstützung durch die "Freunde Syriens" der Aufstand kein einfacher Marsch auf Damaskus geworden war, auch nicht werden würde. Aber weder die zynischen Strippenzieher in Washington und Europa noch ihre intriganten arabischen Spießgesellen
noch die bewußtlosen Massen der westlichen Medienzivilisation erkannten eine Notwendigkeit, hier die Notbremse zu ziehen. Zum Auftreten von al Daula al Islamija – Ergebnis einer so nicht vorhersehbaren, pathologischen Eigendynamik innerhalb der islamistischen Gruppierungen – hätte es in diesem Ausmaß gar nicht kommen können, die zahllosen IS-Massaker an der nicht-sunnitischen Bevölkerung wären ver-
mieden worden, hätte der Westen den sinnlosen Kämpfen früher ein Ende gemacht, bei einem Zähler
stand von 'nur' etwa  200.000 Toten. Das  erforderte kein völkerrechtswidriges aktives  Eingreifen in die Kämpfe, sondern die Unterbindung der enormen Geld- und Waffenströme aus Saudiarabien, Qatar, der Türkei usw. Ohne diese wären sowohl dem IS als auch der 'gemäßigten' Opposition binnen Wochen die Mittel für größere Operationen ausgegangen. Woraus im Umkehrschluß folgt, daß diese üppigen Nach-
schublieferungen bis heute andauern. Die Frage, wieso es nicht möglich sein soll, die Verteilungskanäle für das Erdöl (die andere munter sprudelnde Einnahmequelle des Killerkalifats) 'chirurgisch' zu durch-
trennen, hat nicht nur für Verschwörungstheoretiker einen gewissen Charme.

Bei Lichte besehen ist das Auftauchen des IS für einige Beteiligte ganz praktisch, weil es die Aufmerk-
samkeit der Welt von der Frage nach der schlimmen Schuld des Westens ablenkt, der an einer Beendi-
gung des Blutvergießens gar nicht interessiert war und ist. Genau dieses Moment der Ablenkung böte
bei pragmatischer Betrachtung den Amerikanern, wenn sie es denn überhaupt wollten, eine gute Gele-
genheit, sich ohne allzu großen Gesichtsverlust aus der sinnlosen und letztlich verbrecherischen Ver-
schwörung gegen die legale und, cum grano salis, auch legitime Regierung Syriens zurückzuziehen. Es könnte die Toten nicht wieder lebendig machen, jedoch dem Land den Weg zurück in eine gewisse Nor-
malität öffnen. Denn die Segnungen eines Sieges der "demokratischen Erneuerung" können wir
–  freilich in unseren  Systemmedien nur nach Hahnemanns Rezept: homöopathisch dosiert –  am Bei-
spiel des im blutigen Chaos versinkenden postgaddafischen Libyen studieren.


Warum also wird die von Rußland, aber auch von so vielen Menschen im Internet vertretene Sicht der Dinge im öffentlichen Diskurs überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, ganz systematisch ausgeblen-
det?
1) Was daran ist so dumm, daß es nicht diskutierbar wäre? Nein, es geht gar nicht um Dummheit
oder Klugheit des Konzepts; es geht um das von den USA in beispielloser Anmaßung über Assad ver-
hängte Tabu, welches, mit seinen 'Beweisen', so glaubwürdig wie die für Saddams Kernwaffen, dennoch von der gefügigen westlichen "Öffentlichkeit" nie mehr hinterfragt worden ist. Es wäre eher eine Überra-
schung, wenn Amerikas Regierung und 'Öffentlichkeit' aus innerer Einsicht darauf verzichten würden, für das absurd belanglose Ziel der Beseitigung Assads auch noch weitere Hunderttausende syrischer Men-
schenleben zu opfern. Wer zwei oder drei dieser intellektuell absolut barrierefreien Reden und Interviews des Republikaners John McCain durchlitten hat, ist ganz dicht daran, die amerikanische Volksseele zu verstehen.

Aber haben politische Klasse und Mainstream-Medien in Deutschland sich nicht gerade noch mit empör-
tem Gegacker dagegen verwahrt, von Pegida als gleichgeschaltet bezeichnet zu werden? Merkwürdig – das ganze politische Deutschland ist doch in bestimmten Fragen dermaßen einig, daß schon die Erwäh-
nung von möglichen Alternativen als Tabubruch empfunden wird. Also wenn das nicht krank ist. Wo es an Vielfalt mangelt, ist meist die Einfalt reichlich vertreten, sagte mal irgendwer. Wenn es je  eines Bewei-
ses dafür bedurfte,  daß wir es  besonders in Deutschland  mit einer Gleichschaltung sämtlicher relevan-
ter Medien zu tun haben, dann finden wir ihn in der Tatsache dieses verbissenen Totschweigens, der Weigerung, die einzig praktikable (und vor allem Leben rettende) Option im Nahostkonflikt auch nur zur öffentlichen Diskussion zuzulassen. Das Ganze mitfühlend begleitet von dem immer gleichen anklägeri-
schen Gewimmer über die armen Opfer des Tyrannen.

So wie's aussieht, wird den Deutschen auch in der Zukunft der Stoff zum Schämen nicht ausgehen.

Lügenmedien!      Lügenmedien!      Lügenmedien ...

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1) Ehrenrettungshalber sei ein Essay im SPIEGEL 40/2014 erwähnt, wo die Autorin Christiane Hoffmann
sehr, sehr vorsichtig die Möglichkeit eines Agreements mit Diktaturen (Assad) erörtert. Natürlich bekommt die Tabuverletzerin gleich in der folgenden Ausgabe die geballte irrationale Macht des politisch korrekten Aberglaubens zu spüren. Idiotisch
.



Sonntag, 03.05.2015
2008 als man beim Wort 'Nepal' noch lächeln konnte ...

Der obenstehenden ZDF-Text-Meldung kann man mehrere Informationen entnehmen. Wie würden Sie dazu die folgenden Aussagen auf einer Skala von -273 (stimme überhaupt nicht zu) bis +273 (stimmt genau) bewerten?

a)  Das haben die armen Nepalesen nicht verdient

[ . . . ]
b)  Auf dem Zweiten sieht man besser
[ . . . ]
c)  Deutschland hat einen akuten Fachkräftemangel
[ . . . ]
d)  Die Bildungschancen sind durch die soziale Herkunft bestimmt [ . . . ]
e)  Die Neapolitaner sind echte Dreckspatzen [ . . . ]
f)   Der Satz „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“ gilt in Italien nur für den Zölibat [ . . . ]
g)  Brüssel, wir haben ein Problem [ . . . ]
h)  Und die Sarden sind ja sowieso keine richtigen Italiener [ . . . ]



Mittwoch, 26.08.2015
Politische Klimaerwärmung sorgt für kalte Füße in Berlin. In der SPD-Zentrale grübeln sie nun über
die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die nächste Bombendrohung des "rechten Packs" vielleicht kein Fake mehr sein könnte. Vielleicht auch schon darüber, mit welcher zerschmetternden Rhetorik-gegen-Rechts Justizminister Maas nach einer Zweitauflage von "Charlie Hebdo" seine postmortale Tatkraft unter Beweis stellen würde? Vielleicht ein neues Gesetz, "lex NSU II"? Warum nicht? Kost' nix, bringt nix, aber macht Wind ... Mein Offener Brief an die Genossen und die darin ausgesprochene, nur teilweise unernste Warnung werden natürlich wirkungslos im Archivordner "Haßmails" untergehen. Aber mal ehrlich: Eigent-
lich würde es mich echt stören, wenn die linken Erbpächter der Weltvernunft versehentlich auch noch zu Verstande kämen. Denn dann würden sie ja aufhören, das, was an diesem Staat, dieser Gesellschaft vielleicht erhaltenswert ist, zu gefährden, indem sie mit ihrer verbohrten Politik die Schar seiner Feinde täglich vergrößern und radikalisieren.

Nein, so wie die Entwicklung jetzt anläuft, wird es ja viel spannender!


Offener Brief an die Genossen in der SPD-Zentrale Berlin


To: info@Willy-Brandt-Haus.de
From: Me, Myself & Us


Werte Genossen,

nicht ohne Mißbilligung erfahre ich von der Bombendrohung gegen das "Willy-Brandt-Haus" sowie – na-
türlich mit noch einmal deutlich verschärfter Mißbilligung – von den jüngsten Ausschreitungen in Heide-
nau. Zunächst einmal bin ich froh, daß Willys Knieschützer also nicht zu Schaden gekommen sind.

Was lernen wir nun, so als willkommenskulturell bestäubte Fortsetzer der reeducation von 1946, aus diesem Ereignis (und möglichen ähnlichen in der Zukunft)? Was lernen wir aus Tröglitz, Escheburg, Hei-
denau usw. usw.? Um den in "unseren"  Kreisen so angesagten Selbstfindungsgruppen-Sprech zu be-
nutzen: "Wir" [also nun distanziere ich mich aber aufs schärfste von meiner hermeneutischen Albernheit mit der 1.Pers.Pl.], also "wir", letztmalig, sollten das Scheitern als Chance sehen und  die Warnzei-
chen erkennen, welche doch signalisieren:

Ein wachsender Teil der deutschen Bevölkerung hat von den Systemparteien und von ihrem als "Politik" vermarkteten Gemisch aus ideologischer Verbiesterung, Inkompetenz, Verlogenheit und Hybris  schlicht die Schnauze voll. Die entartete Begrifflichkeit der Zuwanderungsideologen (Komplizenschaft mit Asylbe-
trügern und Sozialschmarotzern heißt z.B. wohlklingend "Weltoffenheit" bzw. "Toleranz"), das schwach-
sinnig undifferenzierte Gekeife über angebliche Fremdenfeindlichkeit uvam., all das fällt Euch xenophilen Spinnern jetzt vor die Füße, denn die Leute können es angesichts der Realität der Überflutung unseres Landes nicht mehr ertragen. Die "Werteordnung" dieses Staates von Besatzers Gnaden, welche die Urheber dieser ganzen "Asyl"-Sauerei im Moment wie ein Mantra vor sich hertragen –  verblendet und arrogant wie immer –,  das ist Eure Werteordnung, nicht meine und nicht die von weiteren Millionen An-
dersdenkender. We get pissed off with Multikulti, und ein Syrer, der bis nach Mitteleuropa "flieht", ist kein Flüchtling, sondern Wirtschaftsmigrant und potentieller Bürgerkriegsverbrecher obendrein (al daula al islamija, tafhamun?). Eure als Staatskult inszenierte dekadente Wertmetaphysik der Gutmenschen und Schuldneurotiker ist nur eine von vielen möglichen. Woraus für Euch ja auch der Sachzwang folgt, die usurpierte Vormundschaft über eine ganze Bevölkerung repressiv abzusichern. Aber, Genossen, ein kleiner Telefonanruf hat Euch gezeigt: Die tägliche Gehirnwäsche durch die Systemmedien, diese bewähr-
te Mischung aus verschmonzten Flucht- und Integrationsmelodramen und Diffamierung der Andersden-
kenden, das wird langsam kontraproduktiv, nüch?

Nur ein Punkt noch – is ja sowieso vergebene Liebesmüh': Daß neben dem "Pack" der Steinewerfer auch Mütter mit Kindern mitlaufen (Pack 2.0, Frau Merkel, Herr Gabriel?) ist nur ein Anfang. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es endlich doch wieder heraus. Wer Millionen Bürgern die Freiheit der Mei-
nungsäußerung verweigert, mit Diffamierung, ökonomischen Sanktionen, dem unsäglichen "Volksverhet-
zungs"-Paragraphen 130 StGB, der kanalisiert selber Teile des Protestes in die Illegalität und soll-
te jetzt nicht dämlich den Finger in den Mund stecken. Euer System hat in Deutschland ein Klima der Angst geschaffen – wer möchte schon wie Eva Herman oder die aus der Nationalmannschaft hinausge-
mobbte Nadja Drygalla so eindringlich zur Beachtung der von der political correctness gezogenen Gren-
zen angehalten werden?  Aber, trotz tausenden  einschüchternden Beispielen:  Es trauen sich immer
mehr was. Ich hoffe auf die kritische Masse, und irgendwann (hoffentlich nicht zu spät) ist dann vielleicht  Schluß mit diesem kranken politischen System und  den Faxen seiner  dekadenten politischen Klasse,
und es kann ans Saubermachen gehen.

Freundliche Grüße

M.G.



Montag, 07.09.2015
Peter Hahne – ohne Denkverbote oder bloß ohne Schimmer? Die für den asylpolitischen Zweck konstruierte 'Parallele' zwischen der deutschen Vertreibungskatastrophe und der aktuellen "Flüchtlings"-
Plage – ebene Geometrie auf Inklusionsniveau.

E
in wenig enttäuschend war es schon: Peter Hahne, Moderator der gleichnamigen ZDF-Sendung, und
dort zuständig für allerlei christlich imprägnierte Weltbetrachtung, bietet einem dennoch gelegentlich durchaus Bedenkenswertes und nachdenklich Stimmendes. Aller Ehren wert auch sein gnadenloser Verriß der dämlichen "Rechtschreib"-Reform unseliger Gegenwärtigkeit. Jedoch: Aus welchem Stall er wirklich kommt, das offenbarte er gestern zum Thema "Flüchtlinge – damals und heute" oder so
1).
Gleich zu Beginn eine ganz ungewohnte Verheißung: Es sollte für die Diskussion keinerlei Denkverbote geben! Also wenn einem sowas auch noch im Zeichen des Kreuzes verheißen wird, dann freut sich der Mensch doch über die Abwechslung in der sorgfältig entschärften Debattenkultur des Staatsfernsehens.

Aber was an dem Thema konnte denn überhaupt den Rotstift des Zensors zum Vibrieren bringen? Etwa: Ein Teilnehmer sagt:  Wir wollen  diese vielen Fremden  hier nicht haben, schon gar nicht die Pseudo-
flüchtlinge, wir sind nicht das Sozialamt der Welt. Ok, neuer Zensor, den alten hat gerade der Schlag
getroffen. Auch nicht schlecht: Da die Leute mit Sicherheit nie wieder nach Hause gehen, ist vielleicht zu überlegen, ob wir nicht, um wenigstens ein Restchen Deutschland zu erhalten, eine gewisse Segregation der Rassen bzw. Ethnien vorbereiten sollten, also Überlassung der verslumten Großstädte usw. an die Invasoren und Rückzug der ethnischen Deutschen in einige reservierte Siedlungsgebiete. Eventuell mit Spielcasinolizenzen, wie bei die Indiaaners. Oh, schon wieder 'n toter Zensor. Nein, das alles erwartet
der geschulte ZDF-Zuschauer natürlich nicht. Und die Sendung sollte ja auch ersichtlich mehr um den Doppelschwerpunkt zweier Flüchtlingskatastrophen gravitieren: 1944ff. und 2014ff. Sehr schönes Thema, bei dem allerdings die Freiheit von Denkverboten schnell daran erkennbar wird, ob neben der intellektuell anspruchslosen Parallele zwischen den beiden Fluchtprozessen auch die Differenzierung nach den völlig verschiedenen historisch-politischen Kontexten zugelassen wird.

Überraschung: Worin sich nun die Freiheit von Denkverboten niederschlagen könnte, das blieb das Ge-
heimnis der Diskutanten. Weder dem Moderator noch dem CSU-Funktionär Posselt (der auch noch den Vertriebenenpart spielte) kam die Frage nach der Besonderheit der deutschen Vertreibungskatastrophe auch nur in den Sinn. (Von dem Deutsch-Palästinenser Saleh war das ja fairerweise nicht zu erwarten). Peter Hahne ist eben ein kluger Mann, der die ideologischen Straßenmarkierungen gar nicht braucht, um zu wissen, wo es längs geht; das ist eine Frage des vorauseilenden Gehorsams. Aber die beiläufige
Nichterwähnung dieses zentralen Aspekts der deutschen Vertreibung als einer Binnenwanderung straft alle frommen Sprüche Lügen, desgleichen der politically correcte Politsprech der Parteischranze Posselt. Auf seine Art ist Letzterer durchaus repräsentativ für einen Teil der Heimatvertriebenen: Es ist doch, seit die Willkommenspropaganda sich die gelungene Integration der deutschen Flüchtlinge nach
dem Krieg als Blaupause für die jetzige Situation angeeignet hat, fast schon anrührend, wie viele Heimat-
vertriebene dankbar erinnernd und willig ins Willkommenshorn schluchzen. Ist es das fortgeschrittene
Alter? Oder hat die Vertreibung einen Selektionsvorteil der physisch Stärkeren gegenüber den Intelligen-
teren produziert? Jedenfalls, keinem von diesen Trotteln scheint aufgefallen zu sein, daß da ein paar gra-
vierende Unterschiede eine Rolle gespielt haben. Wäre dem zerbombten Restdeutschland von 1945 die Aufnahme von 12 Millionen Ausländern zugemutet worden, hätten die Siegermächte zunächst einen Volksaufstand niederschlagen müssen. Uns haben sie (na ja, zähneknirschend) aufgenommen, denn wir waren Deutsche.

So ist denn das einzig Positive, was mir zu dieser wirklich überflüssigen Gesprächsrunde einfällt: Sie verzichtete ausnahmsweise auf die gewohnte psychotische Hetze gegen das Pack der "Fremdenfeinde", dem ich mich ja wohl auch zurechnen darf. Ansonsten ein durchaus auf Linie liegender Beitrag zur täg-
lichen Gehirnwäsche-gib-uns-heute, diesmal die Variante "Und was war mit den deutschen Flüchtlingen nach dem Krieg???!!!". Eine schmucklose asylpolitische Auftragsarbeit, mehr nicht.

Es gibt weniges in dem willkommenskulturellen Geschnatter der xenophil verblödeten "Eliten" dieser Republik, was mich so auf die Palme bringt wie diese idiotische Gleichsetzung zwischen dem heutigen Flüchtlingsproblem und dem, was die Deutschen hier "im Reich" und wir aus dem Osten damals gemein-
sam zu verkraften hatten. Die 14 Millionen Deutschen aus dem Osten haben einen Großteil der Zeche des Großdeutschen Reiches begleichen müssen, mit über 2 Millionen Menschenleben,
Verlust von Heimat und materiellem Gut, Verlust von Lebenschancen. Wir hatten ein Recht, einen Anspruch, von der "Schicksalsgemeinschaft" des deutschen Volkes aufgefangen zu wer-
den.
(Und im Gegensatz zu dem heutigen Gefasel der Eurorettungs-Dilettanten hatte das Wort damals noch einen konkreten ethischen Gehalt.) Bei aller Fragwürdigkeit, diese Kategorie in den normativen Be-
reich zu übertragen, könnte man irgendwie von Leistung und Gegenleistung sprechen. Also: Was bitte-
schön haben die Flüchtlinge von heute (die Sozialpragmatiker aus dem Balkan oder Zentralafrika elimi-
niere ich schon mal aus der Gleichung) mit denen von 1944 und danach zu schaffen. Was haben sie von uns zu verlangen? Nichts. Sie bilden mit uns keine "Schicksalsgemeinschaft", sie gehören nicht zu uns. Sie haben auch nichts für uns getan oder geopfert.  Wir schulden ihnen nichts.  Womit die angebliche Duplizität der Historie sich als billige Geschichtsklitterung zum propagandistischen Zweck erweist.

Übrig bleibt ja immer noch genug, was wir für die wirklich Geflohenen, ja auch für die "bloß" Armen tun "müssen", auch ohne daß man die Geschichte vergewaltigen oder sich die Dreistigkeiten des Asylschwin-
dels gefallen lassen muß. Denn im europäischen, christlich geprägten Kulturkreis sind Hilfsbereitschaft
und Anständigkeit als säkulare Formen der christlichen Nächstenliebe Teil unserer Identität. Es ist aber auch Teil unserer ethischen Autonomie, daß wir der Hilfsbereitschaft Grenzen ziehen können und daß
wir das im Grundgesetz (Art. 16) apodiktisch festgeschriebene Prinzip einer bedingungs- und grenzenlosen Asylgewährung als das betrachten, was es ist: Bullshit, von Ignoranten festgesetz-
ter und für sakrosankt erklärter Bullshit.
Denn: Es gibt kein "Menschenrecht auf Asyl" oberhalb des Gesetzes, es gibt nur ein deklaratives "Grundrecht", so "ewig" wie die positivistische Rechtsetzung, die
es erzeugt hat. Insbesondere aber ist kein Verfassungsgeber – schon gar nicht, wenn er als ein demo-
kratischer anerkannt werden soll – befugt, irgendwelche "Ewigkeitsgarantien"
2) in die Verfassung ein-
zufügen, die theoretisch alle nachfolgenden Generationen binden und nur durch Verfassungsbruch zu beseitigen sind.

Im übrigen offenbart sich, gerade in der "Flüchtlings"-Problematik, bei uns eine systematisch ausgenutz-
te "rechtsstaatliche" Begriffsverwirrung. Sehen wir einmal davon ab, daß in Artikel 16 des Grundgesetzes weder für Flüchtlinge noch Notleidende noch allgemein Verfolgte eine Asylgewährung vorgesehen ist –
einziger Asylgrund ist die politische Verfolgung: Neben dem deutschen Grundgesetz findet sich ein wahrer Selbstbedienungsladen an Menschenrechts-, Flüchtlings- und sonstigen Konventionen, welche deutsche Regierungen servil unterschrieben haben, von den europäischen Fabrikationen ganz zu schwei-
gen. Und an alle muß sich der Rechtsstaat Deutschland halten – damit sich wenigstens einer daran hält. Angesichts dieser Fülle von windigen Begründungen für noch mehr Zuwanderung ist es eigentlich verblüf-
fend, daß die gesamte politische Klasse des Landes sich nicht entblödet, sich ausgerechnet auf den be-
sagten Grundgesetzartikel zu berufen, nach dessen Kriterien 99 Prozent der zu uns Kommenden sofort abzuweisen sind.  Denn sie sind alles Mögliche, nur nicht  politisch Verfolgte. Tja, was ist  "politische Verfolgung?" seufzte Pontius Pilatus. Unvergeßlich, wenn auch nicht ganz verbürgt, sind seine trösten-
den Abschiedsworte: "Flüchtlingsapfel, Verfolgtenbirne – Leute, kippt einfach alles zusammen, macht auch besoffen. Alea iacta est."

In diesem Sinne: Danke, Peter Hahne.


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1) "Bewährungsprobe Zuwanderung", ZDF, 06.09.2015
2) Solche Ewigkeitsgarantie ist Ausdruck einer absolut undemokratischen Anmaßung. Nur gut, daß sie nicht noch weitere profane Inhalte unter Schutz gestellt haben, man denke etwa an den "Schutz des ungeborenen Lebens" in Form eines immerwährenden Abtreibungsverbots. Oder die Sache mit den Quotenfrauen in den Vorstandsetagen.
Waren die "Väter des Grundgesetzes" zu blöd oder zu klug, um in den Artikel 79 , der die ersten 20 Artikel für unabänderlich erklärt, auch dessen eigene Ewigkeitsgarantie hineinzuschreiben? Das wäre dann der selbstrefe-
rentielle Overkill gewesen, und die dunkle, destruktive Macht in mir bedauert ein bißchen, daß es nun doch keines echten Verfassungsbruchs bedarf, sondern nur einer Annullierung der besagten Schutzklausel, um anschließend den immunisierten Asylquatsch an die Realitäten anzupassen.



Sonntag, 20.09.2015
Die ZDF-Mediathek und die Kunst, die Vergangenheit zu korrigieren. Auch das ZDF-Archiv kann
sich plötzlich gar nicht mehr erinnern.

Neben der seriösen und daher recht anstrengenden Zeitphilosophie hat sich, schon früh, etwa mit Her-
bert George Wells, dem Vater der Science Fiction, auch ein literarisches Genre  entwickelt, das sich vor allem mit dem faszinierenden Gedanken beschäftigte, was wäre, wenn man in der Zeit hin und her reisen könnte. Nun sind solche Zeitsprünge vom Jetzt in die Zukunft, da rückwirkungsfrei, relativ unproblema-
tisch, weshalb sie ja auch von Regierungen gern simuliert werden. Sei es, daß die apokalyptischen Fol-
gen des Geburtenschwundes für die Sozialsysteme, auf das Jahr 2050 projiziert, wesentlich beeindruk-
kender sind als für 2016 (was dann die Überzeugungsarbeit erleichtert, wir bräuchten den Sozialschrott
aus aller Herren Länder, der die Sozialsysteme dann mit seinen Hartz-IV-Beiträgen retten wird); sei es,
daß die Merkelsche Schuldenbremse vorsichtshalber nach 2020 gelegt wird, also in eine Zukunft, wo sich hoffentlich niemand mehr an sie und die anderen Blindgänger erinnern wird – die Zukunft kann sich nicht gegen die Vergangenheit wehren, aber das ist ihr Problem, mit und ohne Zeitreise. Und die Dividende der zukünftigen Wohltaten oder Katastrophen, die fällt freundlicherweise im Jetzt an. Als Klimarettungspro-
phet, der auf sich hält, läßt man sich doch lieber heute für seine Weitsicht feiern, als dabei zu sein, wenn der Meeresspiegel im Jahre 2115 dann doch nicht gestiegen ist.

Anders die Vergangenheit. Kein Science-Fiction-Autor, der sich nicht mehr oder weniger kreativ mit den Aporien einer Zukunft auseinandersetzt, welche durch Eingriffe in die Vergangenheit zwangsläufig sich selbst modifiziert, wahrscheinlich sogar aufhebt. Oder erfolgt "damals" nur einfach die Umleitung in eine andere der unendlich vielen nebeneinander bestehenden Modalitäten des Seins? Na ja, Hauptsache, es
kommt nicht so'n Blödmann auf die Idee, einen meiner Vorfahren umzubringen oder die Kubakrise von
1962 doch noch in einen Atomkrieg einmünden zu lassen. Kein Grund, sich aufzuregen: Das Ganze ist
ja nichts weiter als das ontologisierte Kreterparadox der griechischen Philosophen. Abgesehen davon
kann die Modifizierung der Vergangenheit ja auch durchaus Vorteile bieten. So oder ähnlich scheint das ARD-Fernsehen die Sache auch zu sehen und nimmt sich, schon seit einiger Zeit des Zeitreiseparado-
xons in einer mehr pragmatischen Weise an, mit einer neuen Variante des Kreters: "Was wir heute sen-
den, werden wir morgen gar nicht gesendet haben." Bemerkt wurde dieser innovative Umgang der ARD
mit der eigenen Vergangenheit unlängst, als die Aufzeichnung der "Hart-aber-fair"-Sendung zum Thema Genderwahn ("Nieder mit den Ampelmännchen", 2.März 2015) plötzlich aus dem Archiv der Mediathek verschwunden war. Das Unverständnis des Publikums zeigte allerdings, daß der neue Umgang mit dem kollektiven Gedächtnis noch nicht so recht im gesellschaftlichen Bewußtsein etabliert ist. Weshalb man dann ohne jede Verlegenheit zurückruderte und noch eine Zweitversion der Sendung obendraufsetzte.

Was der ARD recht ist, sollte dem ZDF billig sein, dachte man sich in Mainz, und das wohl auch nicht
erst seit heute. Das Zweite Deutsche Fernsehen legt natürlich Wert darauf, daß seine Zuschauer auf dem Zweiten besser sehen, was aber nicht heißen soll, daß sie alles sehen müssen. Und wenn das Unglück einmal geschehen ist, muß eben dafür gesorgt werden, daß es dann doch lieber nicht geschehen ist.

Eigentlich brauche ich schon seit jeher absolute Ruhe, wenn ich mich auf eine Arbeit konzentrieren muß, aber wenn's weniger anspruchsvoll ist, läuft dann schon mal der Fernseher nebenher. So auch am neun-
ten September, einem Mittwoch: Das Zweite war an, und ich hörte, so "mit halbem Ohr", dem zu, was
die Redaktion für mich erdacht hatte. Plötzlich fiel das Wort "Syrien", und das "auslandsjournal" kündigte einen Bericht aus dem Bürgerkriegsland an, den ich mir – mich innerlich schon gegen die anstehende Gehirnwäsche wappnend – denn doch ansehen wollte. Es folgte ein etwa achtminütiger Filmbericht "Kampf um Syrien – die Schwadronen des Dschihad" von den Journalisten Yacine Benrabia und Fa-
ruk Atig, in perfektem Deutsch kommentiert von dem Islamwissenschaftler Asiem al-Difraoui.

Der Film war in Rebellengebiet aufgenommen, aber ich erlebte die Überraschung des Jahres. Buchstäb-
lich konsterniert von der Neutralität von Berichterstattung und Kommentar, der höchstens eine milde Skepsis gegenüber den Dschihadisten durchscheinen ließ, fragte ich mich, wie ich diesen Schock ver-
arbeiten sollte. Kein einziges Mal das verhetzte, verlogene Stereotyp vom "seine-eigene-Bevölkerung-mordenden-Diktator", was ist mit meinem Lieblings-Gehirnwäschesender ZDF los? Ein äußerst beunru-
higendes Novum war das. Die Befürchtung, vielleicht in einem Paralleluniversum gelandet zu sein, wo die Urteilsbildung beim Fernsehzuschauer nicht fremdgesteuert erfolgt, zerstreute sich kurz darauf, gottsei-
dank. Die Aussendung des Syrienberichts war nur eine dumme kleine Panne gewesen. Als ich mir näm-
lich (ich hatte den Schluß verpaßt) am nächsten Tag (10.9.) die komplette Ausgabe des "auslandsjour-
nals" in der ZDF-Mediathek herunterladen wollte, entdeckte ich wiederum Wunderbares: Der Syrienbe-
richt war über Nacht verschwunden, fein säuberlich aus der Aufzeichnung herausgeschnitten.

Ein wenig üben müssen die Kollegen vom ZDF aber noch bei der Berichtigung der Vergangenheit: Im Vor-
spann ist die Ankündigung des Films noch zu hören und zu sehen. Vier Punkte, setzen.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/2486674/auslandsjournal-vom-9-September-2015

Der Vorgang mag prima vista unbedeutend erscheinen, wenn man ihn nur als weiteres Schlaglicht auf die manipulativen Praktiken des Propagandamediums ZDF betrachtet. Aber der relativ hohe Aufwand bei der Täuschung läßt ahnen, wie unerwünscht ein Ausscheren aus der gleichgeschalteten "Berichterstattung" ist, sobald die Sache den weltpolitisch hochsensiblen Komplex Syrien berührt. Da müssen ein paar deutsche Lakaien der amerikanischen Meinungsführerschaft im Programmbeirat schon ein wenig Druck aufgebaut haben, damit auch eine so kleine Störstelle im Gewebe der amerikanischen Greuelpropaganda
um den "Massenmörder" Assad, seine angeblichen Giftgasattacken und seine Faßbomben ganz schnell verschwindet.


Freitag, 18. November 2015
Der dämlichste Spruch des Jahres.
"Glaubt jemand ernsthaft, wir könnten solche Anschläge verhindern, indem wir keine Flüchtlinge mehr aufnehmen?" (Aydan Özoguz (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung).

Last Upd. 1/28/2017