Ein Offener Brief an irgendeine ziemlich beliebige Regionalzeitung zum Thema Hohmann

Der Umgang der Medien mit dem "Antisemiten" Martin Hohmann hat sich nach seinem gelungenen Ausschluß aus der CDU-Bundestagsfraktion auf den periodischen Ausstoß von ein paar handlichen Phrasen reduziert. Ihre Aufgabe ist es, nun noch eine Weile lang das Gefühl zu vermitteln, daß, da wieder alles seine Ordnung hat, auch alles seine Richtigkeit hatte. Also gewissermaßen die öffentliche Psyche noch etwas in der Marinade der normati-
ven Kraft des Faktischen reifen zu lassen.

Als anregendes Beispiel für die immer noch andauernde mediale Verblödung des mündigen Bürgers fällt mir gerade ein Kommentar in einer norddeutschen Regionalzeitung in die Hände. Er könnte im Moment stellvertretend für viele stehen, die ohne großes Nachdenken im törichten Mainstream der Political Correctness mitschwimmen. Natürlich hätte ich auch den BILD-Kolumnisten Franz Josef Wagner nehmen können, der am 11. November Hoh-
manns Verfehlungen für Fünfjährige aufbereitete (Schlußzitat: "Mein liebes Kind, hast du alles verstanden?"). Dagegen sprach, daß das vom Autor freiwillig gewählte Niveau des klinischen Schwachsinns eine Argumentation erfordert hätte, für die ich nicht ausgebildet bin. Außerdem kann man bei einer Regionalzeitung eher hoffen, daß die seismischen Echos der Leserschaft überhaupt wahrgenommen werden.

Nachfolgend zunächst also ein Auszug aus dem Kommentar, der mich doch an dieser Stelle und in dieser Parteilichkeit sehr überraschte.

Entnommen einer (austauschaberen) Regionalzeitung




(Ein Kommentar, der mit Sicherheit nicht Volkes Stimme wiedergibt ...)

Es ist erschreckend: Viele Menschen scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, was der inzwischen aus der CDU-Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete Martin Hohmann mit seiner Rede bezweckte. Mit seinem unseligen Tätervolk-Vergleich (daran ändert auch der Konjunktiv in seinen Ausführungen nichts) wollte Hohmann die Schuld Hitler-Deutschlands kleinrechnen und gleichzeitig die Mahnung an den Holocaust entsorgen. Wenn das nicht antisemitisch ist.
.............
(Kurz, knapp, falsch. Der Rest ist der möglichen Verbindung zur Schillpartei gewidmet)










Und nun mein Halboffener Brief an den Verfasser:

Manfred Grabowski                                                            Schwarzenbek, 19.11.2003
Berliner Str. 15
21493 Schwarzenbek

[Anschrift]


<<< Nicht zur Veröffentlichung in Ihrem Blatt >>>


Sehr geehrter Herr Zeitung,

ich habe heute Ihren Kommentar vom Mo, 17.11.03 zur Hohmann-Affäre zweimal gelesen, bis ich meinen Augen traute. Daß sich mittlerweile jeder "antifaschistische" Schwachkopf, jeder duck-
mäuserische Kretin aus der CDU-Prominenz an Martin Hohmann die Füße abgetreten hat, sollte doch eigentlich reichen. Wieso dieser verlogene Nachschlag, in einem Regionalblatt, welches doch ein Interesse daran hat, daß die Leserschaft ihm das "unparteiisch" in der Kopfleiste glaubt?

Sie alle von der Fraktion der Pharisäer mit dem besonderen Sprachverständnis sollten froh sein, wenn über diese Affäre möglichst schnell Gras wächst, Rede und Redner bald in Vergessenheit geraten. Denn vor jedem, der unsere Muttersprache noch beherrscht, die Rede im Wortlaut liest und dann mit den Anschuldigungen vergleicht, öffnet sich ein Abgrund von Bescheuertheit.

Um Ihren linguistischen Defiziten nur ein paar Anmerkungen entgegenzusetzen:

(1) Es ist nicht antisemitisch, auf die erhebliche jüdische Beteiligung an bolschewistischen Verbre-
chen hinzuweisen.

(2) Es ist nicht antisemitisch, die Unsinnigkeit des Begriffs "Tätervolk" an einer hypothetischen Anwendung auf "die Juden" zu demonstrieren. Die hier von Hohmann im Gegensatz zu Ihnen sehr klar erfaßte erkenntnistheoretische und mehr noch ethikphilosophische Problematik von Kollek-
tivbegriffen
("Tätervolk", "das deutsche Volk", "Hitlerdeutschland", "die Juden") und ihre Konse-
quenzen für die Schuldfrage
empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.

(3) Es ist nicht antisemitisch, wenn man unter Verweis auf (1) und (2) die von Juden und Nicht-
juden erhobene Forderung nach endlosem Gedenken, nach Bußfertigkeit und Sühne als unange-
messen zurückweist. Mögen sie sich mit den Tätern auseinandersetzen (sofern sie noch leben), nicht mit uns Spätergeborenen.

Wo also, frage ich, wird der Antisemitismus sprachlich greifbar, am Text nachweisbar?

Oder dieses andere bösartige Hirngespinst: Hohmann habe "die Schuld Hitlerdeutschlands klein-rechnen" wollen? Der von ihm angestellte Vergleich ist, wie Sie mit bewundernswertem Scharfsinn erkannt haben, im Konjunktiv formuliert: "Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als "Tätervolk" bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet." Ob und inwieweit der Konjunktiv an Hohmanns oder anderen Ausführungen etwas ändert, sollten Sie vielleicht nochmal überdenken; Sie haben da Nachholbedarf. Setzen Sie den Satz "Ich könnte dich jetzt erschießen" aus dem Conditionalis in den Realis, zeigen Sie die Unterschiede in Bedeutung und Sprachintention und begründen Sie Ihre Auffassung. Kleiner Tip: Probabilistische Sprachanalyseprogramme erwarten nach Conditionalis und Irrealis ein "Aber", mit guten Trefferquoten ...

Und schließlich: Mit welchem Recht, außer der volkspädagogischen Lizenz zum Lügen, unter-
schlagen Sie (und die ganze Branche) den völlig eindeutigen Satz Hohmanns: "Daher sind weder "die Deutschen", noch "die Juden" ein Tätervolk"?

Von einem relativierenden Rückschluß auf das Ausmaß der Naziverbrechen ist nirgends die Rede, eine Verharmlosungsabsicht nicht erkennbar. Solange Sie nicht mehr zu bieten haben als das will-
kürliche Hineindeuten, solange Sie hier nicht anhand einer halbwegs wissenschaftlichen Textanalyse diesen niederträchtigen Vorwurf plausibel machen können, muß ich feststellen: "Nicht begrün-
dungsbedürftige" Motivunterstellungen dieses Typs kann jeder Idiot im Minutentakt produzieren. Hohmanns Pech: Solchen Stuß zu widerlegen, ist nahezu unmöglich. Wissen Sie das nicht? Sprachkompetenz null Punkte, setzen.

Natürlich - mit der Tätervolk-Sprechblase, dieser kranken Mystifikation von einer kollektiven Ur-
schuld und einer generationenlangen Kollektivhaftung der Deutschen steht und fällt die moralische und materielle Erpreßbarkeit unseres Volkes. Dagegen den Mund aufgemacht zu haben, ist, bei allen Schwächen, ein Verdienst Martin Hohmanns.

Wie der von einem mild umnachteten Verteidigungsminister geschaßte General Günzel richtig schrieb, hat Hohmann "Millionen Deutschen aus dem Herzen gesprochen". Ich kann nur hoffen, daß Sie möglichst viele Reaktionen von Lesern erreichen, die sich ebenfalls fragen, ob sie durch Ihren Kommentar nur manipuliert oder aber über den wahren Sachverhalt belogen werden sollten.

Mit freundlichen Grüßen

(Manfred Grabowski)


PS: Diesen Brief veröffentliche ich gleichzeitig leicht modifiziert auf meinem Website:
<<< www.aphixis.de/Neue_Dateien/doc_komment.html >>>


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